Kunst am Bau

CATSweb      Friedemann von Stockhausen      2018

Für den künstlerischen Entwurf bietet das quadratische Raster des Gebäudes die formale Anknüpfung mit der Struktur eines Gewebes. Weben ist eine der primären Kulturtechniken: Decken, Teppiche, Bekleidung, Behausung – vom blanken Tuch zum komplexen, ornamentalen Gewebe. Hierin verbindet sich die materielle Natur mit der visuellen Formsprache einer Kultur.

Im Leben der Nomaden bildet der Teppich die Grundlage eines beweglichen Ortes. Sesshafte Kulturen festigen und verorten in der Architektur ihre Konzepte von Raum und Zeit. Die Textur einer materiellen Oberfläche findet ihre Entsprechung in der Grammatik einer Sprache und in den Formen eines Textes. Das Spektrum der Assoziationen reicht von der Oralität zur Fixierung in der Schrift, vom Mythos zu den Erzählformen des täglichen Lebens. Der Bogen spannt sich von der Steinschrift zum gedruckten Buch, vom kollektiven Gedächtnis und der rituellen Weitergabe über Generationen zu der das historische Wissen als Vermächtnis bewahrenden Bibliothek.

Innenhof des CATS

Kunst am Bau

Dem Vorplatz und dem Innenhof des CATS fügt sich eine Gewebestruktur aus horizontal und vertikal verlegten Klinkersteinen ein und teilt die Flächen in helle und dunkle Felder. Im Vorhof führt ein dunkel gehaltener Mittelgang als Zugang zur Bibliothek, flankiert von 12 hellen Feldern. Im unten gelegenen Innenhof ergeben sich 15 helle Felder, denen im Wechsel von hellen und dunklen Steinen die abstrahierten Umrisse architektonischer Tempelformen eingelegt sind. Jedes dieser quadratischen Felder besteht aus 108 Steinen, die auf die ausgeprägte Symbolkraft der Zahl 108 in Hinduismus und Buddhismus verweisen. Eingerahmt wird der Innenhof von einem Rand dunkler Felder, in denen sich 64 goldbronzene Steine verteilen. Die Zahl 64 verweist auf die Multiplizierung der acht Grundelemente des I GING mit sich selbst. Das I GING hat, mit der Vielzahl seiner Kombinationen und Deutungsmöglichkeiten über Jahrtausende als Orakel gedient. Es diente aber auch dazu, die menschlichen Vorstellungen des Universums, sowie die Fragen nach dem Schicksal des Einzelnen zu ordnen und zu klassifizieren.

Trigramme des I GING

Ebenerdig sind der umlaufenden Gehfläche der Pergola die acht Trigramme des I GING den Himmelsrichtungen und ihren natürlichen Entsprechungen zugeordnet: Norden/Erde, Nordosten/Berg, Osten/Wasser, Südosten/Wind, Süden/Himmel, Südwesten/See, Westen/Feuer, Nordwesten/Donner. Das Abbild des Universums reduziert sich auf die Abstraktion von drei Reihen kurzer und langer Zeichen. Die Dualität von Schwarz und Weiß entspricht sowohl dem Yin und Yang, aber auch der Binarität unserer globalen digitalen Technologien.

In Anlehnung an die elliptischen Spielsteine des GO-Spiels befinden sich im Innenhof neun bewegliche Sitzgelegenheiten. Acht schwarze und ein weißer Stein laden zum Verweilen ein.

FvSt

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 08.03.2024
zum Seitenanfang/up